2. Präparation dynamischer Eigenschaften

 

Ein wichtiges Ziel dieses Basiskurses ist es, zu zeigen, dass man Quantenobjekten im Allgemeinen Eigenschaften wie Ort und Impuls

nicht zuschreiben kann.

Um dies möglichst klar darzulegen, werden einige begriffliche Grundlagen benötigt. Dazu gehört der Begriff der Präparation, der in dieser Lektion eingeführt werden soll.

Es werden Beispiele besprochen, die zeigen, dass die Präparation von Eigenschaften auch in der klassischen Physik eine wichtige, wenn auch meist unbeachtete Rolle spielt. Dort ist das Präparieren von Eigenschaften physikalischer Objekte so selbstverständlich, dass selten ausführlicher darauf eingegangen wird. Dagegen tauchen in der Quantenphysik neue Phänomene auf, die es nötig machen, den Begriff der dynamischen Eigenschaft neu zu überdenken. Die Diskussion des Präparationsbegriffs in dieser Lektion hilft dabei, einen Zugang zu den neuartigen Problemen der Quantenphysik zu finden.

Falls Sie es noch nicht gemacht haben, laden Sie sich bitte jetzt das Kapitel 2 des Lehrtextes als pdf-Datei herunter.

2.1 Präparation dynamischer Eigenschaften in der klassischen Mechanik

Der Begriff der Präparation wird hier am Beispiel des horizontalen Wurfs eingeführt.

wurfmaschine

Unter Präparation versteht man ein Verfahren, mit dem Objekte in einen bestimmten Zustand gebracht werden. Durch Präparation stellt man also physikalische Systeme mit bestimmten Eigenschaften her. Die Abschussvorrichtung beim horizontalen Wurf präpariert z. B. Kugeln mit den beiden Eigenschaften „befindet sich am Abschussort (x_0, y_0)“ und „besitzt die Abschussgeschwindigkeit (v_{x0}, v_{y0})“.

Experiment 2.1: Hier sehen Sie eine gut präparierte Wurfmaschine. Jedesmal, wenn Sie dieselbe Feder-Auslenkung wählen, wird die Kugel exakt gleich weit fliegen.

Bei einem schlecht präparierten Experiment streuen die Messwerte mehr oder weniger stark.

Die durch Präparation hergestellten Eigenschaften sind nicht unveränderlich. Deshalb werden sie als „dynamische Eigenschaften“ bezeichnet. Im Gegensatz dazu sind z.B. Ladung und Ruhemasse eines Elektrons unveränderlich; es handelt sich um „statische Eigenschaften“.

Warum wird der Präparationsbegriff in der klassischen Physik so wenig beachtet?

2.2 Prismenversuch mit Licht

Experiment 2.2: Ausblenden eines schmalen Lichtbündels aus dem Prismenspektrum

Man vermutet, dass Licht einer bestimmten Farbe eine Eigenschaft besitzt, die dazu führt, dass es im Prisma um einen ganz bestimmten Winkel \alpha abgelenkt wird. Diese Vermutung kann man folgendermaßen testen:

Experiment 2.3: Das ausgeblendete Lichtbündel wird durch ein zweites Prisma nicht erneut in ein Spektrum aufgespalten. Es wird um den gleichen Winkel α abgelenkt wie durch das erste Prisma.

Das im Experiment erzeugte Licht einer bestimmten Spektralfarbe besitzt demnach die Eigenschaft „wird um einen bestimmten Winkel abgelenkt“. Das weiße Licht der Lampe besitzt dagegen diese Eigenschaft nicht und es wird aufgefächert. Die in diesem Experiment gefundene Eigenschaft ist mit einer anderen identisch: „besitzt eine bestimmte Wellenlänge“. Die Eigenschaft „Wellenlänge“ bestimmt den Ablenkwinkel ebenso wie die Eigenschaft „Farbe“.

Hier können Sie sich ein Arbeitsblatt herunterladen.

 

Der Zusammenhang zwischen den Begriffen Präparation, Test und Eigenschaften lässt sich wie folgt darstellen:

  1. Mit der Präparation werden Objekte mit gleichen Anfangsbedingungen hergestellt.
  2. Um festzustellen, ob eine Präparation stattgefunden hat, wird ein Test durchgeführt. Liefert der Test ein eindeutiges und zugleich vorhersagbares Ergebnis, dann sagt man, dass das Objekt die entsprechende Eigenschaft besitzt.

Diese Vorschrift muss im Bereich der Quantenphysik sehr genau beachtet werden. Wir werden später feststellen, dass es Fälle gibt, in denen man in einen Widerspruch zu den Phänomenen gerät, wenn man Quantenobjekten eine Eigenschaft unabhängig von der Vorschrift „Präparation und „Test“ oder „Messung“ zuschreibt.

Notwendigkeit von Präparation und Test

2.3 Nicht immer wird eine Eigenschaft präpariert

Der halbdurchlässige Spiegel ist ein Beispiel dafür, dass eine Versuchsanordnung nicht immer eine dynamische Eigenschaft präpariert, auch wenn es zunächst den Anschein hat.
Trifft Licht unter einem Winkel von 45° auf einen halbdurchlässigen Spiegel, so wird es teilweise durchgelassen und teilweise reflektiert.

Den durchgelassenen Anteil des Lichts teste man auf die Eigenschaft „wird durchgelassen“, indem man einen zweiten Strahlteiler in den durchgelassenen Strahl stellt.

Wäre das Licht im ersten Strahlteiler auf die Eigenschaft „wird durchgelassen“ präpariert worden, dann hätte der zweite Strahlteiler das Licht nicht erneut aufgeteilt. Ein Strahlteiler führt somit keine solche Präparation durch.

2.4 Polarisation

Als ein weiteres Beispiel für eine Präparation betrachten wir die Eigenschaft „Polarisation“. Um die folgenden Experimente mit Hilfe einer Computersimulation durchzuführen, laden Sie sich das Programm „Polfilter.exe“ herunter.

Experiment 2.4:

Ein Polarisationsfilter kann das Licht in eine bestimmte Richtung polarisieren. Diese präparierte Eigenschaft kann durch ein zweites Polarisationsfilter in der gleichen Stellung nachgewiesen werden.

Experiment 2.5:

2.5 Selbstkontrolle

In diesem Kapitel waren die folgenden Inhalte von Bedeutung:

  • Was versteht man unter Präparation einer Eigenschaft?
  • Was versteht man unter Test einer Eigenschaft?
  • Vertiefung des Begriffs Präparation mit Hilfe des Experiments Polarisation des Lichts.

Bevor Sie zum nächsten Kapitel weitergehen, vergewissern Sie sich, dass Sie über die Grundzüge dieser Inhalte Bescheid wissen. Anschließend können Sie dies anhand der Zusammenfassung überprüfen.

2.6 Zusammenfassung von Lektion 2: Präparation dynamischer Eigenschaften

Unter dem Begriff „Präparation“ versteht man das gezielte Herstellen physikalischer Objekte mit bestimmten Anfangsbedingungen. Ein Beispiel ist die Herstellung von Licht einer ganz bestimmten Farbe im Prismenversuch mit Licht:

Das Licht, das hier präpariert wird, besitzt eine bestimmte Eigenschaft, nämlich Farbe oder Wellenlänge. Ist ein System auf eine bestimmte Eigenschaft präpariert, zeigt es sie bei einer Testmessung (im obigen Fall z. B. beim Durchqueren eines zweiten Prismas, in dem das Lichtbündel nicht mehr aufgespalten wird). Nur wenn man mit Sicherheit vorhersagen kann, dass ein Test eine bestimmte Eigenschaft bestätigt, dann ist die Vorstellung erlaubt, dass das Objekt diese Eigenschaft wirklich besitzt.