3. Wellen und Teilchen

3.1 Licht im Interferometer – 3.2 Lichtstrahl zu Photonen – 3.3 Interferometrie – 3.4 Weg eines Photons? – 3.5 Erklärung des Ergebnisses – 3.6 Teilt sich das Photon?
3.7 Selbstkontrolle – 3.8 Zusammenfassung

In dieser Lektion wird das Verhalten von einzelnen Photonen in einem Interferometer untersucht. Das Licht zeigt dabei im selben Versuch Wellen- und Teilcheneigenschaften. Dies ist ein Beispiel für einen wesentlichen Aspekt der Quantenmechanik: den „Dualismus“ von Welle und Teilchen. Wir werden sehen, dass sich das Verhalten von Licht sich nicht in einem reinen Teilchen- oder einem reinen Wellenmodell erklären lässt.
Ziel dieser Lektion ist es, am Beispiel eines speziellen Experiments, einen ersten Einblick in dieses eigenartige Quantenverhalten zu gewinnen. In einer der folgenden Lektionen (Wahrscheinlichkeitsinterpretation und Wellenfunktion, Lekt. 5.5) wird ein tieferes Verständnis dieses merkwürdigen Verhaltens angestrebt. Dort wird sich zeigen, wie das „Rätsel des Dualismus“ durch die Born´sche Wahrscheinlichkeitsinterpretation gelöst wird.

Falsche Vorstellungen über den Welle-Teilchen-Dualismus

Dann kommen wir zu einem der erstaunlichsten Ergebnisse des gesamten Kurses. Es stellt sich die Frage, ob man einem Photon im Interferometer die Eigenschaft „Weg“ zuschreiben kann: Darf man sich vorstellen, dass ein bestimmtes Photon auf genau einem von zwei möglichen Wegen zum Schirm gelangt? Im Simulationsprogramm „Interferometer“ erhalten wir Ergebnisse, die nur einen Schluss zulassen: Ein Photon besitzt die Eigenschaft „Weg“ nicht.
In einem weiteren Experiment zeigt sich, dass sich das Photon aber auch nicht auf die beiden Wege aufteilt. Hier wird zum ersten Mal ein Punkt erreicht, an dem unsere klassischen Vorstellungen zusammenbrechen.

Falls Sie es noch nicht gemacht haben, laden Sie sich bitte jetzt das Kapitel 3 des Lehrtextes als pdf-Datei herunter.

Benutzerinformation

In diesem Kapitel werden mehrere Experimente mit Hilfe des Simulationsprogramms Interferometer durchgeführt. Laden Sie sich dazu das Programm Interferometer.exe herunter.

Wie lade ich das Simulationsprogramm „Interferometer“ herunter?

  1. Klicken Sie auf den unterstrichenen Link „Interferometer.exe“ (s.o.).
  2. Speichern Sie diese Datei auf Ihrem Computer.
  3. Öffnen Sie das Simulationsprogramm „Interferometer.exe“ von dem Speicherort aus.
  4. Durch Betätigen des Buttons „Start“ öffnen Sie das Simulationsprogramm. Verkleinern Sie dessen Fenster, so dass die Windows-Task-Leiste sichtbar ist. Damit können Sie zwischen dem Lehrtext im Internet und dem Simulationsprogramm „Interferometer“ hin und her wechseln.

3.1 Licht im Interferometer

Die Abbildung zeigt den Aufbau eines Mach-Zehnder-Interferometers. Fällt das Licht eines Lasers auf einen Strahlteiler (halbdurchlässiger Spiegel), wird es in zwei Teilstrahlen aufgespalten. Diese Teilstrahlen laufen entlang unterschiedlicher Wege, Weg A und Weg B. Durch zwei Spiegel in den Wegen A und B werden die Anteile des Laserlichts je um 90° umgelenkt und durch einen weiteren Strahlteiler an ihrem Schnittpunkt wieder „gemischt“. Auf dem Schirm erhält man ein Interferenzmuster, das klassisch durch die Gangunterschiede, die sich auf den verschiedenen Wegen von der Quelle zum Schirm ergeben, entsteht.

Dieser Versuch kann mit Hilfe des Simulationsprogramms „Interferometer“ durchgeführt werden.

Experiment 3.1:

Wie kommt das Interferenzmuster zustande?

3.2 Vom Lichtstrahl zu einzelnen Photonen

Stellt man in einem gut abgedunkelten Raum mehrere Graufilter vor einen Laser, wird die Intensität des Lichts so sehr abgeschwächt, dass man mit dem bloßen Auge nichts mehr wahrnimmt. Das Licht ist nunmehr so stark „verdünnt“, dass es aus einzelnen Photonen besteht, die nur mit Hilfe eines CCD-Elements nachgewiesen werden können.

Experiment 3.2:

3.3 Interferometrie mit einzelnen Photonen

Mit dem Simulationsprogramm „Interferometer“ können wir das vorher betrachtete Interferenzexperiment im Mach-Zehnder-Interferometer nun mit einzelnen Photonen durchführen, indem Sie als Lichtquelle „einzelne Photonen“ auswählen.

Experiment 3.3: Jedes Photon spricht nur einen einzelnen Detektorbaustein auf dem CCD-Element an. Die Verteilung, die sich nach dem Nachweis von nur wenigen Photonen ergibt, weist scheinbar keinerlei Regelmäßigkeit auf.
Was passiert, wenn eine große Anzahl von Photonen nachgewiesen worden ist?
Es bildet sich allmählich das schon in Experiment 3.1 beobachtet Interferenzmuster mit intensivem Laserlicht. Die Animation zeigt den allmählichen Aufbau des Interfernzmusters aus einzelnen Photonen-„Einschlägen“.

Wurde ein solches Experiment tatsächlich durchgeführt?

Das betrachtete Experiment ist ein Beispiel für den „Dualismus“ von Welle und Teilchen für Photonen. Zum einen ist das Verhalten, dass eine Wechselwirkung lokalisiert erfolgt und eine zunächst unregelmäßige Verteilung von detektierten Photonen zu sehen ist, typisch für Teilchen. Zum anderen ist das Interferenzmuster, das sich aus einer großen Anzahl von Einzeleinschlägen von Photonen aufbaut, ein charakteristisches Merkmal einer Welle. Dies illustriert noch einmal deutlich: Eine einfache Alternative zwischen Welle und Teilchen gibt es in der Quantenmechanik nicht.

Diese Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Es ist nicht möglich, das physikalische Verhalten von Photonen in einem reinen Teilchen- oder Wellenmodell zu beschreiben. Eine befriedigende Erklärung muss Kennzeichen beider Modelle in sich vereinigen.

Betrachtet man eine Serie von Experimenten, in denen jeweils nur ein einzelnes Photon nachgewiesen wird und die zeitlich soweit auseinander liegen, dass ein gegenseitiger Einfluss ausgeschlossen werden kann, zeigt sich ein verblüffendes Ergebnis:


Jedes der Experimente liefert einen einzelnen Fleck, der mit Sicherheit nicht als ein Wellenphänomen oder als ein abgeschwächtes Interferenzbild aufgefasst werden kann. Die Gesamtheit der unabhängigen Experimente liefert jedoch das wellentypische Interferenzmuster.
An diesem Experiment sieht man deutlich, dass das Interferenzmuster nicht auf eine irgendwie geartete Wechselwirkung der Photonen untereinander zurückzuführen ist.

3.4 Kann man einem Photon einen Weg zuschreiben?

Darf man sich vorstellen, dass ein Photon innerhalb des Interferometers lokalisiert werden kann? Oder anders gefragt: Besitzt ein Photon innerhalb des Interferometers die Eigenschaft „Weg“?

Wenn das der Fall wäre, müsste jedes einzelne Photon entweder auf Weg A oder auf Weg B in der Abbildung oben zum Detektor gekommen sein (und zwar nur auf einem der beiden Wege).

Um diese Frage zu klären, benutzen wir den Begriff der dynamischen Eigenschaft, der in der Lektion Präparation eingeführt wurde (siehe auch Zusammenfassung von Lektion 2).

Markiert man jedes Photon im Interferometer so, dass eine Entscheidung über den Weg erlaubt ist, kann man der Frage, ob ein Photon die Eigenschaft „Weg“ im Interferometer besitzt, auf den Grund gehen. Wir wollen im Folgenden die schon bekannte Eigenschaft der Polarisation benutzen, um eine Markierung an den Photonen anzubringen.

Dazu betrachten wir zunächst einen Vorversuch:

Experiment 3.4:

Das Einbringen der beiden gleich eingestellten Polarisationsfilter ändert an dem Ergebnis von Experiment 3.3 nichts. Das Interferenzmuster baut sich allmählich auf, jedoch etwas langsamer, da die Polarisationsfilter im Mittel die Hälfte der Photonen absorbieren.
Auch mit waagerecht eingestellten Polarisationsfiltern ändert sich nichts am Ergebnis.

Wird das Polarisationsfilter in Weg B waagerecht und das Polarisationsfilter in Weg A senkrecht eingestellt, markiert man mit den Polarisationsfiltern die beiden Wege A und B. Durch Messung der Polarisationsrichtung können wir nun für jedes einzelne Photon entscheiden, ob es Weg A (Polarisationsfilter A) oder Weg B (Polarisationsfilter B) passiert hat. Somit wird hier die Eigenschaft „Weg“ durch die Polarisation markiert.

Experiment 3.5:

Die in diesem Experiment registrierten Photonen bilden kein Interferenzmuster, sondern eine strukturlose Verteilung. Die Animation zeigt den allmählichen Aufbau dieser Verteilung.

Passiert mit Laserlicht nicht das Gleiche?

Der Vergleich der Experimente 3.4 und 3.5 führt zu folgendem Ergebnis:

In der Quantenmechanik ist es möglich, dass einem Quantenobjekt eine bestimmte, klassisch wohldefinierte Eigenschaft (z. B. „Weg A“ oder „Weg B“) nicht zugeschrieben werden kann.

Kann man die Weginformation wieder ausradieren?

3.5 Anschauliche Erklärung des Ergebnisses

Die beobachteten Verteilungen auf dem Schirm der Experimente 3.4 und 3.5 unterscheiden sich wie folgt:
Im Falle des Interferenzmusters gibt es Gebiete auf dem Schirm, in denen mit Sicherheit kein Photon registriert wird (Experiment 3.4). In diesen Gebieten werden jedoch Photonen nachgewiesen, wenn auf dem Schirm eine strukturlose Verteilung zu sehen ist (Experiment 3.5).
Möchte man nun entscheiden, ob in den betreffenden Gebieten Photonen gefunden werden, muss man die Stellung beider Polarisationsfilter kennen.

Wie kann ein Photon über dieses „Wissen“ verfügen?
Hier gerät die Vorstellung, dass das Photon ein lokalisiertes Gebilde ist, das entweder auf Weg A oder auf Weg B zum Schirm gelangt, in Schwierigkeiten.

Möchte man eine Fernwirkungsvorstellung wie in der Abbildung vermeiden, bleibt nur der Schluss, dass unsere Ausgangsannahme falsch war.

Man darf sich ein Photon nicht als lokalisiertes Gebilde mit einem festen Ort vorstellen; man kann ihm nicht einen der beiden Wege zuschreiben.

Hier können Sie sich Arbeitsblätter herunterladen.

3.6 Teilt sich das Photon?

Bisher ist es uns noch nicht gelungen, das Verhalten der Photonen im Interferometer anschaulich zu beschreiben. Bietet die Vorstellung, dass sich ein Photon am ersten halbdurchlässigen Spiegel irgendwie „aufspaltet“, die getrennten Teile des Photons auf verschiedenen Wegen zum zweiten halbdurchlässigen Spiegel gelangen und sich dort wieder vereinigen, eine Erklärungsmöglichkeit?
Nein, denn diese Vorstellung ist falsch!

Experiment 3.6:


Zwei Teile eines Photons können nicht nachgewiesen werden, da immer nur einer der Detektoren anspricht und niemals beide gleichzeitig. Zudem wird an einem Detektor stets der gesamte Energiebetrag  E = h · f registriert, den die einzelnen Photonen beim Verlassen der Lampe besessen haben. Somit ist die Vorstellung von getrennten Teilen eines Photons widerlegt.

Das Experiment von Grangier, Roger und Aspect
Deutung dieses Experiments unter dem Aspekt der Welle-Teilchen-Problematik

Die scheinbar widersprüchlichen Resultate der Experimente 3.5 und 3.6 lassen sich mit Hilfe einer genaueren Betrachtung der Messung in der Quantenmechanik klären.
Nach dem ersten Strahlteiler besitzt ein Photon die Eigenschaft „Weg“ nicht (Experiment 3.5). Doch obwohl es diese Eigenschaft nicht besitzt, wird bei einer Messung immer genau einer der möglichen Messwerte „Weg A“ oder „Weg B“ gefunden (Experiment 3.6).

Allgemein kann man diese Erkenntnis folgendermaßen formulieren:

Obwohl ein Quantenobjekt eine Eigenschaft (z. B. „Weg im Interferometer“) nicht besitzen muss, wird bei einer Messung dieser Eigenschaft immer ein bestimmter Wert gefunden (z. B. „Weg A“ oder „Weg B“).

Hier können Sie ein Arbeitsblatt herunterladen.

3.7 Selbstkontrolle

In diesem Kapitel waren die folgenden Inhalte von Bedeutung:

  • Aufbau und Funktionsweise eines Interferometers, sowie Umgang mit dem Simulationsprogramm „Interferometer“.
  • Experimenteller Übergang vom Lichtstrahl zu einzelnen Photonen.
  • Weshalb können Quantenobjekte nicht in einem reinen Teilchen- oder Wellenmodell beschrieben werden?
  • Kann man einem Photon einen Weg zuschreiben?
  • Teilt sich das Photon?

Bevor Sie zum nächsten Kapitel weitergehen, vergewissern Sie sich, dass Sie über die Grundzüge dieser Inhalte Bescheid wissen. Anschließend können Sie dies anhand der Zusammenfassung überprüfen.

3.8 Zusammenfassung von Lektion 3: Wellen und Teilchen

Mit einem Interferometer kann die Welleneigenschaft des Lichts aufgezeigt werden. Der Lichtstrahl wird mit einem Strahlteiler in zwei Anteile aufgespalten. Die beiden Teilstrahlen werden mit Hilfe von Spiegeln um 90° umgelenkt, so dass sie sich wieder schneiden. An ihrem Schnittpunkt steht ein weiterer Strahlteiler, der die Strahlen wieder „mischt“.

Wird als Lichtstrahl das Licht eines Lasers verwendet, so kann man hinter dem zweiten Strahlteiler auf einem Schirm ein Interferenzmuster erkennen. Was passiert, wenn man einzelne Photonen betrachtet?

Durch Vorschalten mehrerer Graufilter in dieser Anordnung kann man auf dem Schirm einzelne Photonen registrieren. Nach einiger Zeit ergibt sich das gleiche Interferenzmuster, wie bei der Verwendung des Lasers ohne Graufilter. Der Versuch zeigt, dass es nicht möglich ist, das Verhalten der Photonen mit einem reinen Wellen- bzw. reinen Teilchenmodell zu beschreiben. In der Computersimulation stellte sich weiterhin heraus, dass es Experimente gibt, bei denen es unmöglich ist, einem Quantenobjekt (Photon) eine bestimmte Eigenschaft, wie z. B. den Weg zuzuschreiben.

Die Vorstellung, dass sich ein Photon teilt, um das Verhalten von Photonen im Interferometer zu erklären, wurde widerlegt.

Aber: Obwohl ein Photon (oder allgemeiner ein Quantenobjekt) eine Eigenschaft nicht besitzen kann, wird bei einer Messung immer ein bestimmter Wert gefunden.